elevatr: Martin Schülzchen, du bist Hoteldirektor in einer Klinik. Wo siehst du Überschneidungen zwischen Health und Hospitality?
Martin Schülzchen: Erst einmal im Anspruch der Besucher: Gäste, die ein Hotel besuchen, wollen sich erholen, sich wohlfühlen und einen angenehmen Aufenthalt verbringen. Neben dem Thema der Genesung gelten diese Punkte auch für Besucher einer Klinik. Dabei trägt das Wohlbefinden maßgeblich zur Genesung bei.
… und zweitens?
In beiden Branchen steht der Mensch im Mittelpunkt des Handelns. Während die Hotelbranche ihren Fokus auf guten Service und ein schönes Ambiente legt, steht die Genesung von Patientinnen und Patienten im Vordergrund der Gesundheitsbetriebe. Doch auch die Gesundheitsbranche benötigt nicht nur herausragende medizinische Leistungen, sondern einen empathischen Umgang mit ihrer Zielgruppe, sozusagen einen besonderen „Service“. Im therapeutischen Bereich spricht man oft davon, dass es nicht so sehr auf das therapeutische Verfahren ankommt, sondern vielmehr auf die Beziehung zwischen Therapeuten und Patienten. Letztere müssen sich wohlfühlen und dazu gehören neben einer hohen fachlichen Expertise auch zwischenmenschliche Interaktionen.
Laut Studien kann auch eine naturnahe Umgebung zur Heilung und Genesung beitragen ...
Korrekt. Unsere Patienten spiegeln uns täglich, dass sich die Umgebung hier am Tegernsee positiv auf ihren Gesundheitszustand auswirkt. Neben der Nähe zur Natur folgen wir auch in der Inneneinrichtung den Prinzipien der heilenden Architektur durch angenehme Lichtverhältnisse, klare Orientierung und speziell an die Bedürfnisse der Patienten angepasste Design-Möbelstücke. Wir schaffen so eine Wohlfühl-Atmosphären wie in einem Hotel.
Warum fasziniert dich gerade dieses hybride Arbeitsumfeld?
Für mich ist besonders die Vielschichtigkeit spannend. Einen so spürbar positiven Effekt auf die Gesundheit seiner Gäste zu haben motiviert mich täglich in meinem Tun. Aus meiner Sicht muss daher der Qualitätsanspruch auf beiden Seiten, also sowohl in der Behandlung als auch im Ambiente, parallel steigen.
Auch in der Hospitality rücken Gesundheitsangebote immer mehr in den Fokus …
Für die Hotelbranche hat sich spätestens seit der Coronapandemie deutlich abgezeichnet, dass viele Menschen auf der Suche nach Gesundheitsangeboten sind: Wellnessanwendungen, Yoga und Meditation erfahren eine hohe Nachfrage.
Also braucht künftig jedes Hotel einen eigenen Gesundheitsbereich?
Nein, denn neben Fachpersonal würden dafür Geräte und eine hochwertige Ausstattung nötig. Diese Ressourcenbeschaffung ist für die meisten Hotels aus meiner Sicht kaum leistbar. Aber: die Voraussetzungen im Kur-Bereich, Fastenmedizin oder im Gebiet der Entschlackungskuren sind gut zu stemmen. Besonders in diesen Bereichen ist aber auch der Austausch mit der Gesundheitsbranche essenziell. Darüber hinaus sollten Foren und Messen zum Wissenstransfer genutzt werden. Eine Fachmesse für Hotellerie sollte für eine Klinik genauso relevant sein, wie eine brancheninterne Messe und umgekehrt.
Küchenchef Athanasios Angeloussis (2.v.l.), hier mit seinem Küchenteam, hat zuvor unter anderem mit Eckart Witzigmann gearbeitet.
Für das Thema Gesundheit spielt die Ernährung eine maßgebliche Rolle. Wo stecken hier Chancen und Potenziale für die Hotellerie?
Während meiner bisherigen Laufbahn wurden die Speisekarten in der Hotelgastronomie vermehrt nach der Nachfrage oder Markttrends geschrieben. Die Expertise im Bereich der gesundheitsfördernden Gastronomie wird aber immer wichtiger. Das Essen soll nicht nur gut schmecken, sondern auch gesund für Körper und Geist sein. Im Bereich der Ernährungsberatung, Wirkstoffe, Gewürze und des finalen Speisenangebots kann die Hotellerie sicher sehr viel von der Gesundheitsbranche lernen und in ihre Küchen integrieren.
Wie läuft das beispielsweise in eurer Küche ab?
Patienten erfahren im persönlichen Gespräch die ernährungsphysiologischen Empfehlungen für den Aufenthalt. Besonders relevant ist neben Allergien und Unverträglichkeiten das jeweilige Krankheitsbild. Ernährungsexperten und Küchenprofis besprechen diese Punkte täglich für jede Person einzeln. Dann verwendet Küchenchef Athanasios Angeloussis zielgerichtet frische, regionale und unverarbeitete Zutaten, die beispielsweise Knochen oder das Nervensystem positiv beeinflussen. Der Qualitätsanspruch spiegelt sich dann weiter beim Anrichten der Teller ebenso wie im Tisch Set-Up.
Dennoch: Krankenhaus-Essen hat bis heute nicht den besten Ruf. Ihr Klinik-Restaurant soll laut Homepage „Deutschlands beste Klinikküche“ werden. Wie soll das gehen?
Die erste Säule ist unser Küchenteam, das Expertise aus der Sternegastronomie mitbringt. Athanasios Angeloussis hat in der Vergangenheit unter anderem mit Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann und Größen wie Harald Wohlfahrt oder Alfons Schuhbeck gearbeitet. Unser Sous Chef kommt ebenfalls aus der Sternegastronomie und war zuletzt im Restaurant „Schwarzreiter“ tätig. Auch im Service bündeln wir die Expertise aus der gehobenen Gastronomie, die dort von unserer Restaurantleiterin Sonja Vees an die Mitarbeitenden weitergegeben wird.
... gibt es für die Mitarbeitenden dann auch spezielle Schulungsangebote?
Es ist uns ein Bedürfnis, unseren Mitarbeitenden Perspektiven zu schaffen und sie auf ihren beruflichen Wegen zu unterstützen. Deshalb bieten wir ihnen eine Kombination aus internen und externen Fortbildungen sowie künftig auch Hospitationen in anderen Betrieben. Für dieses Jahr haben wir einen Jahresschulungsplan erarbeitet, welchen alle Mitarbeitenden individuell durchlaufen. Unser Portfolio geht von Weinschulungen über Besuche bei unseren Lieferanten bis hin zu Angeboten zur Persönlichkeitsentwicklung, die wir als Arbeitgeber bezuschussen.
Interview: Verena Usleber
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Die Kirinus Alpenpark Klinik am Tegernsee wird als bayrisches Familienunternehmen in dritter Generation geführt. Unter anderem werden dort die Fachbereiche Orthopädie, Gastroenterologie und Psychosomatik angeboten. Gäste beziehungsweise Patienten können dort 85 Zimmer und 35 Suiten buchen.