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„Verrückt ist das neue realistisch”

Das sagt Zukunftsforscher und upnxt-Speaker Tim Bruysten. Wie es uns künftig gelingt, in beschleunigten Zeiten besonnen zu navigieren. Und mit den Black Swans zu schwimmen? Eine Sneak Peek aus der Special elevatrEdition #4 „Hospitality Festival”.

Tim Bruysten

Professor Tim Bruysten lehrt Business & Digital Transformation sowie Change Management an der Fresenius Hochschule München. Der Future Driver und upnxt-Speaker hat sich bereits 1997 selbständig gemacht und begleitet seither Unternehmen und Organisationen dabei, neue Methoden und Technologien sowie deren Auswirkungen auf die tägliche Arbeit, Gäste, Services und Märkte zu verstehen und zu nutzen. (Foto: IFM Business Solutions/Gerrit Bender)

elevatr: Tim Bruysten, befinden wir uns gerade inmitten einer historischen Transformation?

Tim Bruysten: Sogar in einer absolut existenziellen Transformation, die sehr viel weitreichendere Wirkungen haben wird als die gesellschaftlichen, industriellen oder kulturellen Transformationen, die wir in den vergangenen 200 Jahren erlebt haben. Wir haben es mit einer exponentiellen Entwicklung bei vielen Technologien zu tun. In einem Jahr verändert sich heute viel mehr als in der gleichen Zeitspanne vor 20 oder 50 Jahren.

Wie gut können wir Menschen damit umgehen?

Die Menschen haben schon immer Entwicklungen mitgemacht und ausgehalten. Neu ist die deutlich kürzere Schrittabfolge, es gibt ein neues Meta-Normal radikaler Beschleunigung. Dabei ist es wichtig, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die wir jetzt für verrückt halten. Man könnte sagen: Verrückt ist das neue realistisch. Generell haben wir Menschen keine guten Sensoren für exponentielle Entwicklungen, wir sind immer noch die Geschwindigkeit des vergangenen Jahrhunderts gewohnt. Die angesprochene Beschleunigung sorgt dafür, dass wir immer mehr Black Swans sehen, also unerwartete Ereignisse.

„Wir befinden uns in der weitreichendsten Transformation seit 200 Jahren.” 
Tim Bruysten

In der Special elevatrEdition #4 „Hospitality Festival“ trefft ihr schon heute auf den elevatrFloors die (inter)nationalen Speaker Stars, lokalen Helden und Hidden Champions der Bühnen unseres Hospitality Festivals upnxt23, das am 21. & 22. Juni 2023 in München Premiere feiert. Ausgewählte (Teil)-Beiträge findet ihr unter dem Tag #MAGAZIN exklusiv als Sneak Peeks online.

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Was sind die Black Swans unserer Zukunft?

Black Swans vorherzusagen, ist schlecht möglich. Es gibt aber einige Themenfelder, innerhalb derer wir sie vermehrt erwarten dürfen. Mit Sicherheit in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Robotik, Oberflächentechnologie, Energie- und Materialforschung, Nanotechnologie und synthetische Biologie. Natürlich beim Thema Klimawandel, aber auch in gesellschaftlichen Trends, Diversity und Arbeitsgewohnheiten. Black Swans wirklich erkennen wird man vermutlich erst hinterher. Wer da am besten lag, wird einen enormen Vorteil haben.

Mit welchem unternehmerischen Mindset lässt sich auch in Zeiten der Unvorhersehbarkeit besonnen navigieren?

Unternehmen müssen sich klar darüber sein, was sie wirklich ausmacht. Nur dann werden sie eine Chance haben im Veränderungs-Marathon, den wir vor uns haben. Grundsätzlich wird vorausschauende Planung schwieriger. Es wird herausfordernder, Investitions-Entscheidungen zu treffen, weil deren Zyklen nicht mehr abschätzbar sind. Die Frage ist beispielsweise: Investieren wir jetzt zehn Millionen Euro in die Einführung eines KI-Tools und was ist, wenn die nächste Version schon viel besser ist? Das ist ein echtes Dilemma, gerade beim Thema KI, aber auch bei anderen Technologien.

Welche Lektionen hat die Gegenwart uns diesbezüglich schon gelehrt?

Technologien haben die Tendenz, irgendwann produktiv zu sein. Wir sehen aktuell viele Technologien auf dem Markt, die gut sind, aber noch nicht richtig gut – Robotik oder Drohnen zum Beispiel. Hier braucht es oft noch ein, zwei Iterationsstufen. Dann werden sie aber enorme Auswirkungen haben. Wer diese Technologien einsetzen wird, kann massiv Kosten sparen. Wichtig wird aber auch der erhöhte Bedarf an menschlicher Kommunikation und Interaktion. Wir haben das nach Covid gesehen: Die Leute wissen jetzt, wie man Zoom benutzt, gleichzeitig gab es am Ende der Lockdowns aber einen unfassbaren Drang, sich wieder persönlich ins Gesicht zu schauen.

Was bedeutet das für die Hospitality?

Zu oft wurde Hospitality IT-isiert, aber nicht digitalisiert. Digitalisierung heißt, ein digital-hybrides Lebens- und Arbeitsumfeld in einem Hospitality-Kontext zu schaffen und nicht nur einen bestehenden Prozess zu verbessern. Amazon hat das in den USA gezeigt mit den Einkaufszentren, in die man reingeht, Produkte auswählt und das Gebäude wieder verlässt. Es gibt keine Security, keine Kasse, Kunden werden beim Reingehen von Kameras erkannt, das Warenhaus beobachtet sie und bucht den fälligen Betrag vom Konto ab. Automatisierung von Prozessen ist hier ein Schlüsselbegriff. Das könnte man auch auf ein Hotel übersetzen.

Wie könnte diese Übersetzung genau aussehen?

Künftig wird in der Hospitality in jedem Objekt ein Sensor eingebaut sein, denn die Logistik wird so günstiger. Der physikalische Raum wird komplett durchdigitalisiert: Wo ist welche Tasse, wo ist welcher Stuhl? Wir können ganz anders an Logistik und Planung herangehen. In jeder Lichtleiste ist ein Sensor, so weiß man immer, wo alles zu jeder Zeit ist. Es gibt eine KI, die die präzise Silhouette und Bewegung von Personen im Raum aus den von den Menschen verursachten Signalschwankungen eines WLANs berechnen kann. Überwachung, Sicherheit, Kontrollmechanismen werden sich extrem weiterentwickeln. Ein großes Fragezeichen steht hier sicherlich noch beim Thema Privatsphäre und Datenschutz – allerdings auch ein großes Ausrufezeichen beim Thema Gesundheit, denn die gleiche Technologie kann beispielsweise eine automatische Warnung auslösen, wenn jemand einen Arzt braucht.

Interview (Auszug): Fabian Müller & Verena Usleber

„Neue Techniken wie Robotik und Drohnen brauchen noch ein paar Iterationsstufen. Dann werden sie produktiv sein und den Menschen viel Geld sparen.”
Tim Bruysten