elevatr: Rikke Frost, wusstest du schon immer, dass du Designerin werden willst?
Rikke Frost: Ich bin schon als Kind gern kreativen Aktivitäten nachgegangen, wusste aber nicht genau, was ich machen will. Ich habe Sprachen geliebt und verschiedene Kulturen. Dann dachte ich, wenn ich Designerin werde, kann ich reisen und die Kulturen in meine Entwürfe einfließen lassen. Also habe ich mich in Aarhus zur Produktdesignerin ausbilden lassen und mich anschließend im Möbeldesign gefunden. Heute fühle ich mich sehr privilegiert, dass ich in dem Beruf arbeiten darf, der meine Passion ist.
Was bedeutet der Begriff Design für dich?
Für mich ist Design nicht nur ein Begriff, sondern ein Werkzeug, das ich verwende, um Lösungen zu finden, die ich als relevant erachte.
Welche Verantwortung bringt dieses „Werkzeug Design“ für diejenigen mit sich, die es in Händen halten?
Ich denke, dass wir als Designer zusammen mit den Produzenten eine Verantwortung tragen, mehr auf den gesamten Entwicklungsprozess zu schauen. Wir sollten keine Produkte oder Objekte entwickeln, die keinen Zweck haben. Hier hat auch schon eine Veränderung stattgefunden, die ich positiv finde. Wir müssen heute cleverer sein, da wir nicht mehr so viele Ressourcen zur Verfügung haben – ganz abgesehen von Klima und Umwelt, auf die wir achten müssen.
Welchen Mindset-Change braucht es dafür?
Wir müssen ein paar Schritte zurückgehen und uns überlegen: Welche Materialien haben wir und wie nutzen wir diese am besten? Das haben wir über die Jahre vergessen. Außerdem sollten wir unseren Fokus mehr darauf lenken, die Konsumenten darüber aufzuklären, was überhaupt künstliche und was natürliche Materialien sind.
Wo stehen wir beim Thema ökologische und soziale Werte im Design heute?
Mehr und mehr Menschen in meinem Fach denken darüber nach. Die EU sorgt für den dringend nötigen digitalen Produktpass. Die wichtigen Fragen sind: Wie kann ich mit dem heutigen Wissen und der heutigen Technologie das beste Produkt erschaffen? Wie kann ich eine bessere Alternative integrieren? Beispielsweise ist es noch sehr schwierig, die Füllung von Polstern nachhaltig zu ersetzen. Wir müssen hier immer besser werden und beim Entwerfen schon daran denken: Wie kann man das Produkt weiter verwenden, wenn es am Ende des ersten Lebenszyklus angelangt ist?
Wie verändert sich der Designprozess durch einen nachhaltigen Ansatz?
Hier kann ich nur für mich sprechen und da möchte ich etwa zehn Jahre zurückgehen. Ich war auf der Messe in Mailand, und als ich zurückfuhr, dachte ich mir: Was mache ich hier eigentlich? Wir können doch nicht immer noch mehr entwerfen und produzieren. Dann habe ich über einen längeren Zeitraum hinweg für mich ein eigenes Manifest entwickelt, das aus drei Worten besteht: minimal, magisch und mindful. Vorher habe ich einfach Objekte entworfen. Jetzt leiten diese drei Worte jeden meiner Entwicklungsprozesse und sorgen so dafür, dass am Ende hoffentlich ein nachhaltiges, durchdachtes Design steht.
Welche Denkprozesse stoßen die einzelnen Worte bei dir an?
„Minimal“ denke ich in Bezug auf Ressourcen, ich stelle beispielsweise die Frage: In welcher Größe gibt es das benötigte Material und welche Stückzahl kann ich daraus produzieren? Oder wie kann ich die Fracht für den Transport minimieren?
„Magisch“ heißt für mich, dass die Menschen – die immer im Fokus des Prozesses stehen – den Gegenstand entdecken und erfahren können, dass er vielleicht einen kleinen Überraschungseffekt hat oder spezielle Details. Besonders die Taktilität ist dabei wichtig, denn ich glaube, dass wir Menschen Taktilität brauchen. Was eine Person fühlt, wenn sie beispielsweise Holz anfasst oder Papier oder Textilien, das weckt einerseits Erinnerungen und lagert sich andererseits neu im Gedächtnis ab.
Und „Mindfulness“ berührt für mich die Frage nach dem großen Ganzen. Warum entwerfe ich das Stück überhaupt? Kann ich damit vielleicht das menschliche Verhalten ein wenig beeinflussen? Kann ich etwas tun für die Menschen, dass ihr Leben positiv beeinflusst? Am Ende steht so ein Design mit mehr Inhalt, mehr Geschichten und hoffentlich Qualität und Funktion, das bis in die Zukunft bewahrt werden kann.
Im Gespräch über zeitloses Design, sitzend auf dem preisgekrönten „Sideways Sofa“: Designerin Rikke Frost (l.) und elevatr-Redaktionsleiterin Verena Usleber. (Foto: Michael Schönwiese)
Stichwort zeitloses Design: Gerade sitzen wir auf dem von dir entworfenen „Sideways Sofa“, für das du in der Fernsehshow „Dänemarks nächster Klassiker“ ausgezeichnet wurdest und das nun exklusiv von der dänischen Traditions-Manufaktur Carl Hansen & Søn hergestellt wird. Wie hast du dein Mantra auf dieses Stück angewandt, das innerhalb von nur drei Wochen designt werden musste?
Die Aufgabe war, ein Sofa für zwei Personen zu entwickeln, auf dem man auch ein Nickerchen machen kann. Aber für mich war es mehr die Frage: Warum soll ich ein Sofa designen? Was kann ich damit Neues leisten? Mein Gedanke war, dass unsere Gesellschaft immerzu in ihre Smartphones guckt – dabei ist menschliche Interaktion unbezahlbar und wir müssen wieder mehr miteinander sprechen, um uns gegenseitig zu verstehen. Die Idee war also, ein soziales Sofa zu entwickeln. Daher bin ich mit der Form gestartet, die die Menschen auf natürliche Weise einander gegenüber platziert. Es gibt tiefere Sitzflächen für große Leute und schmalere für kleinere Personen, damit beide ergonomisch sitzen. Die Rundungen des Sofas wirken außerdem organisch und einladend auf das menschliche Auge.
Dann wollte ich ein voluminöses Polster und einen zierlichen Rahmen, die sich gegenseitig die Balance halten. Ich hatte die Idee, beim Rahmen mit Schnüren zu arbeiten, die mich schon immer fasziniert haben. Aber ich hatte noch nie mit Papierkordeln gearbeitet. Da beschloss ich, mir die Produktion von Carl Hansen & Søn genauer anzusehen, die ja als Meister auf diesem Gebiet gelten. Das hat mich so inspiriert, dass ich es umsetzte. Und anschließend habe ich eine Mail an den Inhaber von Carl Hansen & Søn, Knud Erik Hansen geschickt, und ihn zur TV-Show eingeladen. Er kam und heute sitzen wir hier auf dem „Sideways Sofa“.
Wie fühlt sich das an?
Sehr gut. Ich bin stolz, als Designerin mit einem so tüchtigen und nachhaltigen Traditionsbetrieb zusammenarbeiten zu dürfen.
Stichwort Tradition: Braucht es für zeitloses Design eine Balance zwischen alt und neu?
Klassisches Design ist wunderbar – aber wenn man es besser machen kann, dann sollte man das tun. Und das Neue kommt dazu, wenn man sich ansieht, welche Herausforderungen unsere Zeit mit sich bringt. Ich schaue generell nicht auf alt oder neu, sondern auf den Zweck.
Also entstehen auch Design-Trends durch aktuelle Herausforderungen?
Ich denke, dass Trends entstehen durch die Zeit, in der wir leben, und die Herausforderungen, die diese Zeit mit sich bringt.
Welche Materialien könnten diesen Ansprüchen in der Zukunft gerecht werden? Womit sollten wir künftig arbeiten?
Generell sollten wir wie eingangs erwähnt ein paar Schritte zurückgehen und von einem Gut alles nutzen. Beispielsweise von einer Orange, aus deren Schale man heute schon eine vegane Lederalternative herstellen kann. Außerdem wichtig ist natürlich das Thema Re-Use: Vor allem Naturmaterialien, die wir heute schon brauchen, können wir wiederverwenden. Wenn man beispielsweise einen Holzboden hat, besteht der vielleicht aus einem 200 Jahre alten Baum. Das nicht wiederzuverwenden, täte weh. Die jüngere Generation hat das schon verstanden; viele junge Menschen kaufen heute Vintage-Klamotten und nicht mehr alles neu.
Worauf sollten Hoteliers demzufolge achten, wenn sie heute beispielsweise ihre Lobby neu einrichten?
Natürlich auf gute Qualität, damit man die Einrichtung lange nutzen und am Ende auch wiederverwenden kann. Richtig gutes Design kann man oft auch für viel Geld weiterverkaufen. Allen voran ist es aber wichtig, dass die Menschen in der Umgebung interagieren können. Denn genau das brauchen wir alle. Dafür sollte man eine heimelige Atmosphäre kreieren – beeinflussen lässt sich dies beispielsweise durch Licht-Konzepte, indem man verschieden ausgeleuchtete Areale schafft. Welche, in denen man vielleicht lesen kann und andere, die etwas dunkler und intimer sind.
Letzte Frage: Worauf achtest du persönlich in einem Hotelzimmer?
Dass es sauber ist und gemütlich. Und auf die Funktion – dass alles da ist, was man braucht.
Interview: Verena Usleber
Unser elevatrCommunity Partner über sich
Carl Hansen & Søn wurde 1908 gegründet und produziert seine Möbel seither in Dänemark. Von Hand gefertigt werden sowohl Entwürfe berühmter Designer wie der ikonische „Wishbone Chair“ von Hans J. Wegner (1914-2007) und der „Society Table“ des berühmten Architekten Arne Jacobsen (1902-1971), als auch Designs kontemporärer Kreativer wie das „Sideways Sofa“ und die „Petal Leuchte“ von Rikke Frost. Bei allen Projekten setzt das inhabergeführte Unternehmen auf nachhaltiges Handeln: Aus dem Holzausschuss entstehen beispielsweise Accessoires, welche in den Flagshipstores und auf carlhansen.com erworben werden können.
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