Das Volkshaus Basel liegt nur einen Steinwurf vom Badischen Bahnhof entfernt mitten in der Altstadt Kleinbasels. Seine Wurzeln reichen zwar zurück auf einen bereits im 19. Jahrhundert etablierten politischen, sozialen und kulturellen Treffpunkt. Das heutige Gebäudeensemble entstand jedoch erst im Jahr 1925 nach Plänen des Architekten Henri Baur. Er schuf zahlreiche neue Veranstaltungssäle und ein Restaurant, aber auch einen Laden, Büro- und Sitzungsräume sowie Personalzimmer. In der Folge entwickelte sich der Ort zu einem kulturellen Hotspot, der sich dank seiner vitalen Vielfalt zunehmend als Stadt in der Stadt präsentierte. Nach zahlreichen baulichen und nutzungsbezogenen Veränderungen begann dieser Glanz zur Jahrtausendwende allmählich zu verblassen – nicht zuletzt, weil es für diese Anpassungen kein übergeordnetes Gesamtkonzept gab. Als Eigentümer suchte der Kanton Basel-Stadt im Jahr 2010 schließlich mithilfe eines Wettbewerbsverfahrens nach einem neuen Nutzungskonzept, das der altehrwürdigen Einrichtung neues Leben einhauchen sollte.
Denkmalschutz als Chance
Der Architekt Leopold Weinberg war gerade 28 Jahre alt, als er und der Jurist Adrian Hagenbach zufällig von diesem Verfahren erfuhren. „Wir gingen sehr idealistisch an die Sache heran und setzten uns mit unserem Wettbewerbsbeitrag das Ziel, das Volkshaus Basel im ursprünglichen Sinne wieder aufleben zu lassen“, erzählt Weinberg. Siegeschancen rechneten sie sich dabei nicht unbedingt aus. Umso größer war dann der Ansporn, als sie den Zuschlag erhielten, die Liegenschaft für einen eher symbolischen Preis im Baurecht auf 100 Jahre zu übernehmen. Daran geknüpft war freilich die Verpflichtung, das denkmalgeschützte Gebäudeensemble baulich und als Kulturstätte wieder fit für die Zukunft zu machen. Erschien das Projekt anderen Investoren allein aufgrund des denkmalgeschützten Altbaus und des geforderten Kulturbetriebs als tickende Zeitbombe, sah das Duo gerade hierin unschlagbare Vorteile. „Wir waren unglaublich fasziniert von der Geschichte des Orts. Klar, der Denkmalschutz würde ein Mehr an Aufwand bedeuten. Gleichzeitig lieferte uns die bauliche und kulturelle Verankerung in der Stadt aber auch eine starke Identität, die wir nicht mühsam erarbeiten mussten und die wir mit unserem Konzept mit viel Liebe zum Detail herausarbeiten wollten.“
Leopold Weinberg (links) und Adrian Hagenbach sind seit gut zehn Jahren Eigentümer und Betreiber des traditionsreichen Veranstaltungs- und Gastronomiestandorts Volkshaus Basel.
Erneuerungskonzept in zwei Phasen
Für die Planung von Architektur und Interior engagierten sie das renommierte Architekturbüro Herzog & de Meuron. Weinberg begegnete Jacques Herzog und Pierre de Meuron bereits als Professoren während seiner Studienzeit an der ETH Studio Basel. Viel wichtiger als die persönliche Bekanntschaft war freilich, dass er wusste, wie sehr ihnen ihre Geburtsstadt Basel am Herzen lag und wie gut sie sie durch die unzähligen hier geplanten und realisierten Projekte kannten.
Um die Investitionen auf einen größeren Zeitraum aufzuteilen, gliederten sie das Projekt in zwei Phasen. „So konnten wir das Nutzungskonzept stets auf seine Funktionalität überprüfen. Außerdem hatten wir die Kosten besser im Blick“, so Weinberg. Den Anfang machte im Jahr 2011 die Kernsanierung der gastronomischen Bereiche. Sie trugen maßgeblich dazu bei, das neue Volkshaus Basel bekannt und wirtschaftlich tragfähig zu machen.
Resultat der ersten Bauphase waren eine Bar und eine Brasserie, deren Inneneinrichtung den Geist des originalen Volkshauses ausstrahlt, ohne sich wörtlich auf die historische Architektur zu berufen. Dies gelingt etwa durch eine respektvoll zurückhaltende Gestaltung mit hochwertigen und dauerhaften Materialien, wie zum Beispiel Zinn, Leder und Holz, die in Würde und mit Patina altern. Gleichzeitig wurde in anderen Bereichen, wie etwa bei der Rohbaustruktur, ganz bewusst nichts Grundsätzliches verändert, sondern lediglich eine Ertüchtigung durchgeführt. „Asymmetrische Verteilung der Mittel“ nennt Weinberg dieses Vorgehen.
Hotel als Kernprojekt des Volkshaus Basel
Das Thema Wohnen spielt für die Bauherren eine zentrale Rolle. Und so war die Realisierung des Hotels in einer zweiten Bauphase bereits integraler Bestandteil des Wettbewerbsprojekts. „Nur damit gelingt ein wirklich vitales urbanes Projekt, das fest in der Stadt und in den Köpfen der Menschen verankert ist“, sagt Weinberg. „Außerdem schafft es ideale Synergien, wenn Gäste untertags oder abends unsere Tagungen, Veranstaltungen und Konzerte besuchen und dann hier übernachten.“
Auf Grundlage der bereits von der Brasserie und der Bar bekannten Material- und Formensprache entstanden insgesamt 45 Zimmer und Suiten mit eigens von den Architekten entworfenen Möbeln. Alle sechs verschiedenen Typen der zwischen 20 und 70 m² großen Gästeunterkünfte vermitteln die gleiche zurückhaltend noble Raumatmosphäre und Farbigkeit. Mit dem freistehenden Bett und den in einer tiefen Schrankwand aus schwarz gebeiztem Eichenholz integrierten Toiletten und Duschen nehmen sie Bezug auf die ehemaligen einfachen Personalzimmer, die stets nur mit einem Bett, einem Schrank und einem Waschbecken ausgestattet waren.
„Wir bringen Architektur, Kunst, Kultur und Gastronomie zusammen.“
Um sich dem Volkshaus von Anfang an voll und ganz widmen zu können, kündigten Weinberg und Hagenbach gleich zu Projektbeginn ihre Jobs bei einem Bauunternehmen beziehungsweise bei einer Investmentbank und gründeten das Unternehmen We are Content, mit dem sie heute als Immobilienentwickler und Gastronomieunternehmer mit 100 Mitarbeitern tätig sind. Bereits der Firmenname deutet an, dass sich die beiden nicht dem renditeorientierten Bauen verschrieben haben. „Natürlich muss sich alles rechnen“, sagt Weinberg. „Unsere Projekte müssen aber auch nachhaltig und menschlich sein, damit langfristig alle davon profitieren können. Wir betrachten uns als Generalisten, die die Architektur, Kunst, Kultur und Gastronomie zusammenbringen. So entstehen Projekte, die nicht austauschbar sind und die sich zudem wie selbstverständlich in den jeweiligen Kontext integrieren.“ Eine weitere wichtige Besonderheit beim Volkshaus Basel ist, dass Weinberg und Hagenbach echte Verantwortung übernehmen, indem sie bis heute als Eigentümer und Betreiber agieren.
Auf die Frage, ob er als Architekt das Projekt nicht gern selbst gestaltet hätte, antwortet Weinberg gelassen. „Klar wäre das interessant gewesen. Doch in dieser Hinsicht haben wir beide kein Ego. Und was ist spannender, als bei einem solchen Projekt mit Architekturgrößen wie Herzog & de Meuron zusammenzuarbeiten? Außerdem erbrachte uns das heute sehr erfolgreiche Projekt einen gewissen Ruf als Investoren für schwierige Projekte.“ Eine klassische Win-win-Situation – für Weinberg und Hagenbach, für die Stadt und für die vielen Menschen, die von Projekten wie diesem profitieren.
Roland Pawlitschko
Beständige Materialien wie Zinn, Leder und Holz prägen die Anmutung von Lobby und Brasserie im Volkshaus Basel. (Fotos: Robert Rieger)