elevatr: Fredericke Winkler, was sind die wichtigsten Nachhaltigkeits-Faktoren im Bereich Textilien und Interior?
Fredericke Winkler: Wichtig bei der Entwicklung von Einrichtungstextilien und allgemein beim Interior Design ist zu verstehen, dass man in beide Richtungen der Wertschöpfungskette Verantwortung übernimmt. Mit der Wahl der Werkstoffe entscheidet man, welche Rohstoffe verwendet werden, wo sie herkommen, unter welchen sozialen Bedingungen sie hergestellt wurden – und auch, welchen kulturellen Einfluss diese Praktiken haben. Mit der Raumgestaltung trifft man Entscheidungen darüber, ob und wie ein Raum sich auf einen gesunden und sozialverträglichen Lebensstil derjenigen auswirkt, die ihn nutzen.
Welche Rolle spielt die Nutzung der Ressourcen, die bereits vorhanden sind, beim Thema Nachhaltigkeit?
Circular Economy ist nicht umsonst das Konzept der Stunde. Überproduktion und Überkonsum sind faktisch die größten Barrieren hin zu einem nachhaltigen Lebensstil und einer zukunftsfähigen Wirtschaftsweise. Die meisten denken dabei zuerst an Recycling, weil es eine von insgesamt neun Maßnahmen nach dem „Circular Economy Framework“ ist, die industriell umsetzbar ist, ohne maßgeblich in die Art, wie wir produzieren und konsumieren, einzugreifen. Ohne Zweifel ist das Wiederverwerten von Rohstoffen ein wichtiger Schritt und im textilen Bereich wird wie in vielen anderen Industrien auf Hochtouren an neuen Technologien gearbeitet, um immer mehr „Abfall“ in den Kreislauf zu geben.
Welche Möglichkeiten gibt es diesbezüglich bereits und wo könnte die Reise hingehen?
Aktuell ist zum Beispiel das Recycling von Textilien noch recht begrenzt und geht oft mit einem Qualitätsverlust einher. Wilde Materialkompositionen, wie man sie zum Beispiel oft für Polsterstoffe einsetzt, um sie scheuerbeständig und trotzdem angenehm im Griff zu machen, sind kaum wiederzuverwenden. Das wird sich aber vermutlich schon bald ändern. Ein anderes großes Thema sind organische Materialentwicklungen aus leicht nachwachsenden Rohstoffen, wie etwa aus Pilz-Bestandteilen. Wir sehen momentan unglaublich interessante Entwicklungen in der Textilforschung, aber auch im Möbelbereich. Eine andere für mich interessante Richtung ist, traditionelle Materialien wie pflanzliche Seide oder Hanf in den Fokus zu stellen. Am Ende bleibt aber immer die klare Erkenntnis, dass es eine Systemwende weg von der Masse braucht, damit wir die Klimakrise in den Griff bekommen.
Könnten Möbel und Fasern künftig so „konstruiert“ werden, dass man sie nach dem ersten Gebrauchszyklus „auseinandernehmen“ und wiederverwenden kann?
Wir werden im textilen Bereich zweifelsohne immer besser, wenn es um Recyclingverfahren geht. Wobei wir hier einen Unterschied zwischen synthetischen und natürlichen Fasern machen müssen, denn letztere werden vermutlich immer an Qualität verlieren, wenn sie wieder verarbeitet werden. Ein viel interessanterer Ansatz sowohl in der Architektur als auch in der Textilindustrie ist daher die regenerative Gestaltung und der Einsatz von Materialien, die biologisch abbaubar sind oder einfach nachwachsen. Mir gefällt der Gedanke, dass ich als Designerin mit meiner Gestaltung das Ökosystem respektiere, in das ich hineinarbeite – und dieses sogar positiv beeinflussen kann.
„Ich glaube fest daran, dass wir nur dann wirklich innovativ sind, wenn wir miteinander und auf Augenhöhe arbeiten."
Auf der grünen Wiese gedacht: Aus welchen Materialien könnten wir in ferner Zukunft Textilien und Möbel herstellen?
Wir werden Textilien und Möbel in Zukunft gleichsam in der Petrischale züchten oder aus Biomasse ausdrucken können. Wir werden in Microfactories dabei zusehen können, wie unsere Produkte für uns nach Maß hergestellt werden. Nur eines sehe ich in Zukunft immer unwesentlicher werden und das ist die klassische Industrieproduktion.
Auch die Queen wurde schon von Zimmer + Rohde beliefert – wie bringt man höchste Ansprüche und Nachhaltigkeit „unter eine Krone“?
Unser erster Ansatz war zu verstehen, was „Sustainable Luxury“ überhaupt für uns bedeutet. In der Tat gibt es viele übereinstimmende Werte, wenn wir an Nachhaltigkeit und Luxus denken: Qualität, Innovation, Erfahrung, Verantwortung, Partnerschaft. Auf Basis dieser Werte erarbeiten wir Schlüsselindikatoren, um festzustellen, welche Maßnahmen eine größtmögliche positive Wirkung haben. Dabei verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem wir jeden Bereich des Unternehmens gleichermaßen und gleichzeitig angehen, um das größtmögliche ökologische, soziale und kulturelle Ergebnis für die Gruppe zu erzielen. Das ist nicht die schnellste Strategie, aber vermutlich eine gründliche.
Welche Rolle spielen Digitalisierung und KI beim Thema Nachhaltigkeit?
KI wird eine maßgebliche Rolle spielen. Daher ist es so wichtig, dass alle Akteure sich schnellstmöglich mit dem Thema beschäftigen und dafür sorgen, dass künstliche Intelligenz sinnvoll angewendet wird. Denn KI ist immer nur so ethisch, wie wir sie machen. Wenn wir sie im Sinne der Nachhaltigkeit nutzen wollen, müssen wir das Tool jetzt sinnstiftend füttern.
Und welche Funktion kommt Kooperationen zu?
Kooperation, Kollaboration, Co-Creation: all diese Wörter findet man in fast jedem Innovations-Diskurs – in der Unternehmensberatung bis in die wissenschaftlichen Kreise hinein. Und das zu Recht, finde ich. Denn ich glaube fest daran, dass wir nur dann wirklich innovativ sind, wenn wir miteinander und auf Augenhöhe arbeiten.
Gibt es hier schon Vorreiter? Aus welcher Branche kann die Hospitality diesbezüglich lernen?
Nicht von einer Branche, sondern vom sogenannten „indigenen Wissen“, also von traditionellen Arbeitsweisen. Im Umweltmanagement ist das eine recht übliche Denkweise. Zum Beispiel ist es mittlerweile klar, dass indigene Gemeinschaften in Regenwaldgebieten mit höchster Wahrscheinlichkeit viel besser wissen als wir, wie man diesen Lebensraum erhalten kann. Mit dem noch recht jungen Konzept der „kulturellen Nachhaltigkeit“ werden ähnliche Erkenntnisse für das gesunde soziale Miteinander im Allgemeinen gewonnen.
Worauf sollten Hoteliers beim Thema Einrichtung und Nachhaltigkeit folglich künftig achten?
Darauf, sich Architekten und Designer ins Haus zu holen, die deutlich über ihren Tellerrand hinaussehen können und deren primäre Interessen nicht ausschließlich Ästhetik und ökonomische Kennzahlen sind. Ich muss leider oft die Erfahrung machen, dass der Begriff Nachhaltigkeit zwar gerne benutzt wird, aber oft wurden im Tagesgeschäft noch keine sinnvollen Kenntnisse aufgebaut. Im Sinne der Kollaboration wäre es auch denkbar, den Verhandlungstisch zu vergrößern und aus anderen Perspektiven auf das Vorhaben zu schauen, zum Beispiel stadtplanerisch oder aber im Sinne des regenerativen Designs.
Interview: Verena Usleber
Unser elevatrCommunity Partner über sich
Das Familienunternehmen Zimmer + Rohde mit Sitz in Oberursel sieht sich als textiler und nachhaltiger Innovationstreiber in der Welt der Einrichtung im privaten wie öffentlichen Bereich. Das Portfolio reicht von klassischen Gardinen und Vorhängen über Bezugsstoffe hin zu ausgefallenen Vorhangstangen.
* In unseren Brand-Beiträgen teilen unsere Community Partner Know-how und Einblicke aus ihren Unternehmenswelten.