elevatr: Herr Kaden, Sie gelten als ausgewiesener Experte und Pionier des Holzbaus. Woher kommt dieser Ruf?
Tom Kaden: Wir beschäftigten uns seit 25 Jahren fast ausschließlich mit Holzbau. Erste Projekte entstanden am Stadtrand, ab 2000 kamen dann innerstädtische Gebäude hinzu. Das 2006 in der Berliner Esmarchstraße realisierte Wohnhaus gilt als erste siebengeschossige Holzkonstruktion innerhalb einer europäischen Großstadt. Seitdem sind wir – egal, um welche Bauaufgabe es geht – dem Holzbau treu geblieben.
Warum ist Holzbau heute wichtig?
Die Menschheit befindet sich durch den Klimawandel in einer existenziell bedrohlichen Situation, in der es kein Weiter so geben darf. Klar, Holz kann nicht der einzige Rettungsansatz sein. Doch wenn wir uns die Emissionen der Bauindustrie ansehen, dann tragen diese wesentlich zur Zerstörung unserer Umwelt bei. Holz hingegen wächst nach, ist baubiologisch unbedenklich, verringert die Dreck- und Baulärmbelastung, bindet CO2 und lässt sich in geschützten Werkhallen in einer viel höheren Qualität verarbeiten als etwa Beton vor Ort auf der Baustelle. Ich will jetzt nicht sagen, dass Holz alles kann, aber unser Büro hat noch keine Bauaufgabe gestellt bekommen, die sich damit nicht lösen lässt.
"Nur, weil ein Haus ein Holztragwerk hat, müssen nicht auch die Zimmer oder die Fassaden in Holz ausgeführt werden."
Haben Sie bereits Hotels in Holz realisiert?
Es gibt ein aktuelles, aber noch nicht fertiggestelltes Projekt in Laax in der Schweiz, bei dem die Zimmer in Modulbauweise und die öffentlichen Bereiche als Holz-Pfosten-Riegel-Konstruktion errichtet werden. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die Vorteile des
vorgefertigten Holzbaus bei Hotels noch größer sind als bei fast allen anderen
Bauaufgaben, weil hier der Faktor Wiederholung eine wesentliche Rolle spielt – egal, ob wir über 3D-Modulbau oder den klassischen Holztafelbau sprechen. Dank ihrer meist gleichförmigen Zimmer sind Hotels also geradezu prädestiniert für den Holzbau. Hinzu kommt der Vorteil, dass Holzgebäude aufgrund der guten bauphysikalischen Eigenschaften sehr viel kleinere Konstruktionsflächen als Massivbauten benötigen, was es zum Beispiel ermöglicht, bei gleicher Kubatur mehr Grundrissfläche zu schaffen.
Warum werden Hotels heute dennoch meist nicht in Holzbauweise errichtet?
Da sehe ich vor allem drei Punkte, die prinzipiell aber für alle Bauaufgaben gelten: Erstens geht es in unserer Gesellschaft viel zu häufig um die Kapitalakkumulation und kurzfristige finanzielle Gewinne. Der Baustoff Holz ist vergleichsweise teurer und wird derzeit außerdem von der Holzindustrie künstlich verknappt und damit weiter verteuert, obwohl es eigentlich genug Holz gibt. Der zweite Punkt sind die Bauvorschriften der Länder, die es, geprägt vom Risikodenken, nicht schaffen, die Leistungsfähigkeit des Baustoffs Holz abzudecken oder dessen Einsatz mit restriktiven Gesetzen so erschweren, dass Holzkonstruktionen
unwirtschaftlich werden. Dies führt zu aufwendigen und kostspieligen Lösungen, die technisch oft nicht nötig wären. Und drittens werden beim heutigen Bauen nicht die gesamten Lebenszykluskosten betrachtet. In diesem Punkt ist Holz allen anderen Materialien um Längen voraus. Wenn man all diese Argumente addiert, ist es mitnichten so, dass Bauen mit Holz tatsächlich teuer ist.
Hotel-Holzbauprojekt „The Woods” im Schweizer Skigebiet Laax, bei dem die Zimmer in Modulbauweise und die öffentlichen Bereiche als Holz-Pfosten-Riegel-Konstruktion errichtet werden.
Welche Herausforderungen gibt es im Bauen mit Holz bei Hotels und welche Ängste geistern durch die Köpfe der Bauherren und Hotelgäste?
Nehmen wir das Thema Akustik. Es ist längst bewiesen, dass sich der Schallschutz in allen Arten von Gebäuden lösen lässt. Beispielsweise haben wir sehr viele partizipative Baugruppenprojekte realisiert, die über ein hohes Maß an Individualität verfügen und bei denen es fast schon selten vorkommt, dass ein Bad über dem anderen liegt. Sie können davon ausgehen, dass wir nicht seit 15 Jahren zahlreiche solcher Projekte realisiert hätten, wenn der Schallschutz nicht technisch gelöst wäre. Konstruktiv setzen wir bei Wänden häufig auf massive Holzwerkstoffe, wie z.B. Brettschichtholz, aber auch auf zweischalige Holztafelelemente. Bei horizontalen Bauteilen kommen dann oft hybride Systeme zum Einsatz, wie z.B. Holz-Beton-Verbundelemente oder mit Holz gekapselte Stahl-Unterzüge.
Diese kombinieren jeweils die Vorteile zweier Systeme: Beton bietet akustische Verbesserungen und Stahl größere Spannweiten bei kleineren Querschnitten
als etwa Holzbalken.
Und wie sieht es mit dem Brandschutz aus?
Auch hier liegen längst alle technischen Lösungen auf dem Tisch. Inzwischen gibt es ja sehr viele brandschutztechnisch sehr sensible Hochhäuser in Holzbauweise, die das Material ganz offen zeigen, wenn die Bauherren dies wünschen. Hinzu kommt, dass das Tragverhalten selbst im Brandfall hervorragend ist. Das oft für Stützen eingesetzte Brettschichtholz beispielsweise verfügt über eine Abbrandrate von 0,2 mm pro Minute und brennt durch den Verkohlungseffekt sehr kontrolliert ab. Bei einem typischen Stützenquerschnitt von 30 x 30 cm ist daher klar kalkulierbar, wie viel Zeit den Menschen zum Verlassen des Hauses im Brandfall bleibt, während das brandbedingte Versagen von Stahl- und Betonkonstruktionen eher unvermittelt eintritt.
Österreichs erste Professur für Architektur und Holzbau an der TU Graz wurde 2017 mit Ihnen besetzt. Gibt es so etwas wie einen Leitsatz, den Sie den Studenten, aber vielleicht auch einem Hotelier mit auf den Weg geben möchten?
Zunächst einmal ist es natürlich toll, in Graz das weitergeben zu können, wovon wir überzeugt sind, vor allem dann, wenn wir sehen, wie riesig das Interesse der Studierenden am Holzbau ist. Ein wichtiger Leitsatz unseres Büros hat aber gar nicht spezifisch etwas mit Holz zu tun: Wir sind überzeugt, dass es kein unpolitisches Haus gibt. Egal, ob Schule, Hotel oder Wohnhaus – jede gestalterische Entscheidung hat eine gesellschaftliche Relevanz. Das heißt im Umkehrschluss, dass jeder seinen Teil zum Ganzen beitragen kann. Einem Hotelier, der über einen Neu- oder Umbau nachdenkt, würde ich daher raten, sich möglichst viele
Vergleichsbeispiele anzuschauen und auf jeden Fall nicht dogmatisch zu denken:
Nur, weil ein Haus ein Holztragwerk hat, müssen nicht auch die Zimmer oder die Fassaden in Holz ausgeführt werden.
Roland Pawlitschko