elevatr: Sabine Dorn-Aglagul, Sie waren 15 Jahre bei Hilton, sieben Jahre bei Starwood, später bei Mövenpick und Accor. Haben Sie sich absichtlich die großen Konzerne ausgesucht?
Sabine Dorn-Aglagul Ich habe immer schon auf die Gelegenheit hingearbeitet, in renommierten Hotelketten meine Erfahrungen machen zu dürfen und – sowohl in den Bereichen Operations wie im Commercial – in die Tiefe zu gehen.
Was war Ihr nachhaltigstes Learning?
In der Hospitality ist es von großem Vorteil, ein Generalist zu sein, da wir es mit so vielen Bereichen und Aufgabengebieten zu tun haben und es so viele Schnittstellen gibt. Aber das Wichtigste ist: Wir arbeiten in einem Peoplebusiness. Letztendlich dreht sich alles um den Menschen.
Welche Fähigkeiten sollten Young Talents demnach bewusst ausbauen?
Reaktionsschnelligkeit und Geschwindigkeit. Zudem ist natürlich der intrinsische Wunsch anderen zu helfen oder etwas Gutes zu tun essentiell. Dennoch: Das Zeitalter des Dienens ist überholt! Es geht darum, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und in Verbindung zu gehen. Dazu muss ich noch sagen, dass ein echtes Learning aus meiner Sicht ist, dass es fast nichts gibt, das nicht erlernbar ist. Es kommt immer auf das eigene Mindset an, auf das Wollen und den Antrieb. Bringt ein Mensch diese Voraussetzungen mit, kann ihm oder ihr fast alles im Leben gelingen. Ich finde, das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, vor allem, wenn man Personalverantwortung hat.
#change: Was sind aktuell die größten Transformationstreiber in der Luxus-Kettenhotellerie?
Hier prallen viele Aspekte aufeinander. Zum einen ist die Gästestruktur stark im Wandel beziehungsweise die Zielgruppen sind sehr unterschiedlich. Zum anderen entwickeln sie sich in unterschiedliche Richtungen. Auf der einen Seite haben wir zahlungskräftige Babyboomer und Gen X-Gäste. Die haben ganz andere Ansprüche an den Luxus und an Hotels als etwa die Millenials, die zukünftige Generation der Work-Nomaden, auf der anderen Seite.
„Guter Service ist künftig zurückhaltend, eloquent, elegant.“
#newways: Was muss neuer Luxus also bieten?
Jeder hat eine eigene Vorstellung davon, was Luxus ist. Die Hotellerie steht vor der Herausforderung, genau diese Vorstellungen zu bedienen. Daher gibt es auch so viele unterschiedliche Marken. Entscheidend sind aber nicht mehr allein die goldenen Kronleuchter und der Butler-Service, auch wenn diese Aspekte nach wie vor relevant sind und auch ihre Fangemeinde haben. Perspektivisch werden die Gäste Wert legen auf Faktoren wie Flexibilität, persönlichen Freiraum, besondere Erlebnisse und viele weitere soziale Aspekte. Luxus ist leise und exklusiv geworden. Auch der Service geht in die Richtung: zurückhaltend, eloquent, elegant. Wahrer Luxus trumpft nicht mehr auf, er wird unprätentiöser.
#agility: Wie können gerade große Hotelkonzerne in Hinblick darauf agil bleiben?
Agil bedeutet regsam und wendig. Faktoren, um agil zu bleiben, sind insbesondere für große Konzerne: kurze Entscheidungswege, flache Hierarchien, Empowerment der Mitarbeitenden – insbesondere im Beschwerdemanagement und beim täglichen Umgang mit den Gästen. Ich muss meinen Leuten alle Tools an die Hand geben, um vor den Gästen selbständig zu agieren. Und das stets in einem respektvollen, wertschätzenden Umgang miteinander.
Gibt es noch weitere Bedeutungen von #agil?
„Agil“ stellt die effiziente Verbindung von Geschwindigkeit und Purpose dar. Digitalisierung und Kundenerwartungen unterliegen der ständigen Weiterentwicklung und Veränderung, darauf muss man schnell reagieren können. Das gelingt leider nicht immer. In manchen Unternehmen erkennt man bereits bei Entscheidungsprozessen und Abläufen, dass Agility zu wenig Bedeutung im Alltag beigemessen wird.
Was ist agiles Change-Management für Sie?
Kurze Prozesse und Entscheidungswege, Konzentration auf das Wesentliche, besonders Gästeerwartungen betreffend, schnelle und effiziente Kommunikation, Input versus Output, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, Investitionen mit Mehrwert, messbare Verbesserungen, also ein sehr klares und verständliches Qualitäts-Scoring. Das alles sind Faktoren, die zu agilem Change-Management gehören und berücksichtigt werden müssen. Natürlich gilt es beim Change-Management immer unterschiedliche Begebenheiten wie Kulturen zu berücksichtigen. Change-Management bedeutet nicht, Änderungen mit der Brechstange durchzusetzen.
Was bedeutet folglich „Innovation“ für Sie?
Während meines EMBAs war ich in einem Innovation Lab in Silicon Valley, in dem neues Denken zu sinnvollen Produkten führte. Das bedeutet für mich Innovation: etwas entscheidend Neues im Gebrauch, in der Entwicklung – neue Wertschöpfung; nicht etwas Traditionelles, nur bunt angemalt.
#facingforward: Wie kann die (Luxus-)Kettenhotellerie auch künftig erfolgreich bleiben?
Sowohl für die Talentsuche als auch für die Gästezufriedenheit müssen sie auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Gesundheitsbewusstsein setzen. Digitalisierung muss ich Gästen und Mitarbeitenden zugänglich machen, und zwar ohne zusätzliche Kosten. Nachhaltigkeit bedeutet Ressourcen schonen, auf unser Klima zu achten, aber auch die menschliche, soziale Komponente zu berücksichtigen. Und dass Gesundheit zu jedem Zeitpunkt vorrangig ist, hat uns spätestens die Pandemie gelehrt. Wichtig ist, so zeigt mir die Erfahrung, im Kaufprozess, im Nachfrageprozess für die Kunden relevant zu bleiben. Ich bleibe somit im permanenten Austausch. Ich verfolge Trends aktiv und denke diese für mein Unternehmen weiter.
Auch das regelmäßige Überprüfen der eigenen Annahmen, der Produkte und Prozesse ist enorm wichtig. Immer nur weitermachen wie bisher, das heißt doch letztendlich stehenbleiben. Daher sehe ich es so, dass es mittlerweile fast eine Art Zwang zur Transformation gibt, eben weil einige Geschäftsmodelle bereits überholt sind. Für die ist es sozusagen fünf vor zwölf.
Interview: Verena Usleber
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Sabine Dorn-Aglagul verantwortet seit eineinhalb Jahren als CEO den Hotelbereich von FTI Touristik mit aktuell 62 Häusern. Die Wirtschaftswissenschaftlerin war zuvor bei internationalen (Luxus-)Hotelketten wie Accor, Hilton, Mövenpick und Starwood in führenden – meist operativen – Positionen tätig und wechselte nach 20 Jahren endgültig in die strategische Sparte.