#megatrend Circular Real Estate
Die Umnutzung von Bestandsgebäuden zählt zu den Megatrends unserer Zeit. Sie verlängert im Sinne der Kreislaufwirtschaft den Lebenszyklus eines Hauses und der darin verbauten Elemente – und wirkt so dem hohen Ressourcenverbrauch entgegen, der mit dem Abriss und Neubau von Gebäuden zwangsläufig einhergeht.
#makeitnew: Gleichzeitig fördert das Konzept aber auch das Entstehen spannender und unverwechselbarer Konzepte, die sich aus der Überlagerung alter und neuer Identitäten ergeben. Das gilt insbesondere für Hotelprojekte in Bestandsbauten, deren Storytelling oft auf genau diesen Überlagerungen basiert.
Let’s take it Slooom
Das macht sich das Hospitality Start-up Slooom zunutze, das all diese Aspekte in seinen neuartigen Konzepten zusammenführen will. „Angefangen haben wir mit einfachen Schlafboxen für Coworking-Spaces, in denen die Coworker mit kurzen Powernaps neue Energie tanken können“, sagt Finian Carey. Der 35 Jahre alte Hospitality Manager hat das Start-up zusammen mit dem Architekten Tobias Bubeck vor fünf Jahren gegründet. „Anschließend haben wir die Idee weiterentwickelt und kleine Pods aus Holzelementen entworfen: modulare temporäre Unterkünfte beispielsweise für Flüchtende oder Obdachlose im Inneren leerstehender Bestandsgebäude.“
Make it modular
Die Modulbauweise – ein weiterer Megatrend in der Architektur – bietet in vielen Fällen eine Reihe von Vorteilen: Sie sorgt durch die serielle Planung und Vorfertigung der Module für kürzere Bauzeiten und ermöglicht oft besser kalkulierbare, geringere Kosten. Letzteres ist unter anderem wegen des effizienteren Personal- und Materialeinsatzes (etwa durch feste Rahmenverträge mit Subunternehmern oder größere Material-Bestellmengen) möglich – und weil sich die Stand- und Mietzeiten für Kräne, Gerüste und Geräte verkürzen. Weitere Vorteile insbesondere für Maßnahmen im laufenden Betrieb sind minimierte Schmutz-, Staub- und Lärmbelastungen vor Ort. Zudem werden die Module unter geschützten Werkstattbedingungen hergestellt. Dadurch kann eine hohe Ausführungsqualität gewährleistet werden, die im Durcheinander des Baustellenalltags oft kaum zu erreichen ist. „Mit diesem Konzept sind wir auf Menschen zugegangen, die mit minimalinvasiven, reversiblen Baumaßnahmen Übernachtungskonzepte in leerstehenden Immobilien realisieren wollen“, erklärt Bubeck.
Focus on the whole package
Christian Urschel etwa war von dieser Idee begeistert. Er ist Hotelier und Geschäftsführer des Centrums für Freizeit und Kommunikation der Lebenshilfe gGmbH (CFK) – ein gemeinnütziger Inklusionsbetrieb im saarländischen Spiesen-Elversberg mit einer Kombination aus Restaurant, Tagungshotel, Event- und Hochzeitslocation. „Wir standen vor der Aufgabe, unseren Hotelbetrieb nachhaltig zu erweitern und dessen Attraktivität, Auslastung und Profitabilität zu steigern. Slooom betrachten wir als eine spannende Nischenlösung, und genau das war es, was wir brauchten.“ Urschel hatte zunächst über einen Neubau oder eine Aufstockung nachgedacht – das warf allerdings baurechtliche Probleme auf, und hätte zudem den Budgetrahmen gesprengt. Dann fiel ihm die Turnhalle ins Auge, die sich letztlich als idealer Standort für die Slooom-Pods entpuppte – denn die ehemaligen Umkleiden eigneten sich räumlich als Sanitärbereich.
24 Pods
„Im Konzeptionsprozess hatten wir zunächst verschiedene Ansätze“, sagt Tobias Bubeck. „Doch das Gesamtkonzept wurde mit jeder Iteration besser. Letztlich realisierten wir 24 Pods; zwei davon barrierefrei. 22 davon dienen den Gästen als Schlafräume, zwei stehen dem Housekeeping zur Verfügung. Insgesamt entwickelten wir drei unterschiedliche, drei bis fünf Quadratmeter große, Pod-Typen für je zwei Personen – ausgestattet jeweils mit Betten, intelligenten Stauräumen und einer ebenso leistungsfähigen wie leisen Lüftung.“
Die aus unbehandeltem Brettsperrholz von einem Pfälzer Holzunternehmen hergestellten Pods wurden in nur wenigen Tagen U-förmig zweigeschossig im ehemaligen Turnhallenraum aufgebaut, sodass eine Art geschützter Hofbereich entsteht. „Die ersten Entwürfe sahen vor, die Pods im Erdgeschoss aufzustellen. Dadurch, dass sie nun gestapelt wurden, konnte der Platz dort freigeräumt werden", erklärt Cord Glantz, Geschäftsführer des Stuttgarter Unternehmens Geplan Design, das auch für das Interior verantwortlich zeichnet. „Durch die zweigeschossige Anordnung entstand die Arena – und das Hotel wurde von einer Schlafstätte zu einer Eventlocation." Der lichtdurchflutete Hofbereich soll den Gästen künftig als Lounge dienen, während in den alten Umkleide- und Duschbereichen nun 21 Badezimmereinheiten (14 mit Dusche und Waschbecken, sechs vollständige Bäder mit WC) sowie ein barrierefreies Bad und je ein separates Damen- und Herren-WC zu finden sind.
„Die Atmosphäre in der ‚Gym Lodge‘ beschert unseren Gästen ein ganz besonderes Übernachtungserlebnis und ist gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal, das unseren Kundenradius erheblich vergrößert“, erklärt Urschel. „Dieser Aspekt hilft unserem Inklusionsbetrieb dabei, seiner Aufgabe, der Beschäftigung von Menschen mit einer Behinderung im ersten Arbeitsmarkt, gerecht zu werden. Das ist ebenso nachhaltig wie die Neunutzung eines Bestandsgebäudes oder die Tatsache, dass wir hierfür vorwiegend auf lokale Handwerker und Baufirmen gesetzt haben.“
Share your ideas!
„Mit dem im Herbst 2022 eröffnenden CFK-Projekt sind wir einen großen Schritt weiter gekommen in Richtung Serienreife“, sagt Finian Carey. Er betont aber auch, dass Slooom sich als Ideendienstleister versteht, der vom Konzept bis zum Betreiber alles anbieten kann. „Wir bringen kompetente Leute aus den Bereichen Hospitality Management, Konzeptentwicklung, Architektur und Marketing zusammen, die über komplementäre Fähigkeiten verfügen.“
Roland Pawlitschko
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Die Umnutzung von Bestandsgebäuden spielt für zukunftsorientierte, nachhaltige Gebäude eine wichtige Rolle – auch wenn sie heute oft noch keine signifikanten Kostenvorteile bietet. Unter anderem tragen Umnutzungen dazu bei, den Flächenverbrauch und die Landversiegelung zu reduzieren. Zudem helfen sie, die vorhandenen Ressourcen im Sinne der Kreislaufwirtschaft besser zu nutzen, anstatt Baumaterialien immer wieder mit großem Aufwand neu zu produzieren und zu transportieren sowie beim Abriss zusätzlich Energie und Rohstoffe zu verbrauchen. Wenn die von Experten seit langem geforderte Betrachtung der Energie- und CO2-Bilanz von Immobilien zur Realität wird, könnten hohe CO2-Werte erhebliche Besteuerungen nach sich ziehen. Dann wären Umnutzungen gegenüber Neubauten klar im Vorteil – in der gesellschaftlichen Akzeptanz und Nachhaltigkeit ebenso wie in Bezug auf die Kosten.